Virtuelle Archäologie

3D-Röntgen-Computertomographie in Archäologie und Restaurierung

Der hohe Flächenverbrauch durch Baumaßnahmen in Baden-Württemberg trägt zu einem enormen und nach wie vor stetig anwachsendem Fundaufkommen in der Archäologischen Denkmalpflege bei, dessen kostspielige Aufarbeitung in Zeiten immer knapper werdenden Kapazitäten kaum mehr zu bewältigen ist. Massen an unrestaurierten Funden stellen die Denkmalpflege überall vor große Herausforderungen.

Gerade in frühmittelalterlichen Gräbern zeigen sich oft sehr komplexe Befundzusammenhänge. Viele der Grabbeigaben wie Waffen, Gürtelgarnituren, Amulettgehänge, Schmuck oder Gegenstände des täglichen Lebens, an denen sich zum Beispiel Textilien der Kleidung oder Lederreste eines Gürtels erhalten haben, werden daher in ihrer originalen Fundlage mit der umgebenden Erde in Gipsblöcken, so genannte Blockbergungen, geborgen, um die Befundsituation in den Restaurierungswerkstätten genau untersuchen zu können. Um eine möglichst zeitnahe Auswertung der verschiedenartigen Funde zu gewährleisten, müssen neue Wege zur Verkürzung üblicher Bearbeitungs- und Untersuchungsmethoden beschritten und neue effiziente Analyseverfahren angewandt werden.

Ein solches Verfahren ist die dreidimensionale Röntgen-Computertomographie. Insbesondere im Falle von Blockbergungen ermöglicht sie im Gegensatz zu konventionellen Methoden eine signifikante Beschleunigung der Untersuchung und Dokumentation und gewährleistet eine zeitnahe wissenschaftliche Vorlage. Alle Objekte können in ihrer originalen Position und stratigraphischen Abfolge erfasst, identifiziert und typologisch eingeordnet werden. Dank der 3D-Röntgen-Computertomographie am fem gelingt eine äußerst präzise dreidimensionale Darstellung aller im Block geborgenen Objekte aus den unterschiedlichsten Materialien. Eine solche Darstellung liefert zuverlässige Erkenntnisse über die Anordnung und stratigraphische Abfolge, aber auch einen detailreichen Blick auf die ursprüngliche Oberflächenbeschaffenheit von Gegenständen. So können Verzierungen visualisiert werden, die nur eine geringe Tiefe besitzen und erst nach einer zeitaufwendigen manuellen Freilegung des Objektes hätten dargestellt werden können.

Hinzu kommt die Visualisierung innerer Strukturen, die Rückschlüsse auf zugrundeliegende Materialien, deren Herstellungsprozess und Erhaltungszustand, häufig sogar über den Grad ihrer Abnutzung zulassen. Insbesondere Materialkombinationen wie Metall mit Holz, Leder oder auch Textil auf der Oberfläche sind bei konventioneller Bearbeitung mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden, da sich beispielsweise bei Langwaffen aus Eisen (Spatha) die Schwertscheide aus organischen Materialien in den meisten Fällen erhalten hat. Alleine die Schwertscheide besteht aus mehren mineralisierten organischen Schichten. Diese zu untersuchen und zu dokumentieren dauert mehrere Wochen und eine anschließende Abnahme – um herstellungstechnische Merkmale am Metall zu erkennen – erweist sich oft als unbefriedigend. Um beiden Materialien gleichermaßen gerecht zu werden, bietet sich sich die Computertomographie an. In diesem Fall konnte die Damaszierung des Schwerts detailgetreu visualisiert werden.

Überdies lässt sich die Form stark fragmentierter Objekte durch die digitale Bearbeitung rekonstruieren. Durch diese virtuelle Rekonstruktion stark abgebauter oder fragmentierter Objekte können zeitintensive Restaurierungsprozesse minimiert werden. Die vorliegenden Beispiele zeigen, dass die Methode viele Vorteile hat und Möglichkeiten bietet, die in vielen Bereichen zwar schon standardmäßig genutzt wird, deren Anwendungsmöglichkeiten aber längst noch nicht ausgeschöpft sind.

Dipl.-Rest. Nicole Ebinger-Rist
Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg

 

Visualisierung: Volume Graphics, Heidelberg