Richard Wagner zum 200.

Eine augenzwinkernde Hommage aus dem fem

Mit Edelmetall fängt alles an – und damit kennen wir uns am fem gut aus. Mit Gold, um genau zu sein, das verführerisch glänzend auf dem Grunde des Rheins liegt, mehr schlecht als recht behütet von den allzu leichtsinnigen Rheintöchtern. Den liebestollen Zwergen Alberich vom Stamme der Nibelungen necken und reizen sie solange, bis dieser schließlich wutentbrannt den sagenumwobenen Goldschatz an sich reißt. Dessen Betriebsgeheimnis haben ihm die Nixen zu allem Überfluss zuvor verraten: „Der Welt Erbe gewänne zu eigen, wer aus Rheingold schüfe den Ring, der maßlose Macht ihm verlieh’“. So nimmt das Unheil in Richard Wagners vierteiligem, monumentalem Musikdrama Der Ring des Nibelungen seinen Lauf.

Viel ist geschrieben und gestritten worden über Wagners politische und philosophische Weltanschauung, die sich im Ring und seinen weiteren musikalischen und literarischen Werken widerspiegelt. Dabei scheinen den Interpreten vor lauter Metaphysik und Kulturkritik ein paar ganz handfeste Fragen aus dem Blick geraten zu sein. Denn was uns der Komponist und Schriftsteller verschweigt, der vor 200 Jahren das Licht der Welt in Leipzig erblickte, ist der Grund für die "maßlose Macht", die ein aus dem Rheingold geschmiedeter Ring seinem Träger verleiht. Freilich, die spontane Reaktion eines Metallforschers aus dem 21. Jahrhundert auf diese Frage lautet: Fauler Zauber, Alchemie! Aber nach Überwindung des ersten Widerwillens würde die naturwissenschaftliche Intelligenz wohl eine besondere, bis heute unentdeckte oder möglicherweise uralte, vergessene Legierung vermuten. Eine Mischung aus Gold und anderen Elementen, die ein zwar schönes, im Grunde jedoch harmloses Schmuckstück in ein solch machtvolles Instrument der Machtausübung zu verwandeln vermag. Ist eine ungewöhnliche Kristallstruktur oder eine eigentümliche Modifikation auf atomarer Ebene die Ursache der übernatürlichen Kraft? Man stelle sich vor, der Meister höchstpersönlich, seiner Bayreuther Gruft entstiegen, stünde vor den Toren des Gmünder Forschungsinstituts. Sein Auftrag: Lösen Sie das Rätsel des Rheingolds - und gießen Sie mir den Ring! Wäre das nicht der größte Auftrag überhaupt in der langen Geschichte des fem?

Was den ersten Teil des Auftrags anlangt: Käme man dem Geheimnis tatsächlich auf die Spur, ohne sich mit diabolischen Kräften zu verbünden, der Nobelpreis wäre sicher. Welch' ein Triumph für die Forscher, das Institut, die Stadt Schwäbisch Gmünd! Der zweite Teil ist da schon problematischer. Denn bei aller Bewunderung für Wagners Werk – den Ring des Nibelungen sähe man nur ungern an einem seiner Finger blitzen. War er doch, schenkt man seinen Zeitgenossen und Biographen Glauben, bisweilen ein ziemlich grober Klotz. Aber davon einmal abgesehen, welcher der Kollegen unter den Ingenieuren und Wissenschaftlern am Forschungsinstitut würde sich schon freiwillig bereit erklären, das geschmolzene Rheingold in die Hohlform des künftigen Ringes zu gießen? Wissen wir doch von Rheintochter Woglinde, dass es nicht jedem vergönnt ist, den wundersamen Stoff in Form zu bringen: "Nur wer der Minne Macht entsagt, nur wer der Liebe Lust verjagt, nur der erzielt sich den Zauber, zum Reif zu zwingen das Gold". Moralisch gesehen wäre diese Forderung eine ziemliche Zumutung, arbeitsrechtlich betrachtet wohl ein unerlaubter Eingriff in die Privatsphäre!

Begnügen wir uns also weiterhin mit der literarischen Fiktion und verzichten auf die wissenschaftliche Erkenntnis. Denn für das sinnliche und intellektuelle Vergnügen an der dramatischen Erzählung, vom anfänglichen Raub des Schatzes bis zur Götterdämmerung, in der das Gold wieder in den Tiefen des Rheins verschwindet, ist diese ohnehin völlig unbedeutend. Ein Forscher im weißen Kittel, der Alberich vor dem Schmieden des Rings zu einer elektronenmikroskopischen Analyse des Edelmetalls rät? Als zeitgenössischer Regieeinfall durchaus denkbar, in der Geschichte, wie Wagner sie ersonnen hat, aber eher störend. Das Geschehen dominieren Götter und Helden, Liebe und Betrug, Begierde und Macht, Untergang und Erlösung. Wo diese großen, ewig gültigen Themen der Menschheit auf die Bühne treten, gönnt sich der kühle Verstand der modernen Wissenschaft gerne eine Pause, um sich ganz dem Wagner’schen Zauberwerk hinzugeben. Dessen betörende Kräfte, das wissen nicht nur die Liebhaber seiner Musik, stehen bis heute jenen des Goldes in nichts nach.

Patrick Wais

 

Bildnachweise: Arthur Rackham, The Rhinegold & the Valkyrie, 1910 | Franz Hanfstaengl, Richard Wagner, 1860 | Hans Makart, Rheingold, 19 Jh.