Kühle Schönheiten

Das Gmünder Forschungsinstitut Edelmetalle + Metallchemie auf der Spur des blauen Goldes

Seit Menschengedenken übt der warme, tiefe Glanz des Goldes eine unwiderstehliche Faszination aus. Das einzige gelbe Metall unter den Elementen war immer schon Symbol und Sinnbild für das lebensspendende Licht der Sonne, für Reichtum und zeitlose Eleganz. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Vor diesem Hintergrund mag es auf den ersten Blick überraschen, dass seit geraumer Zeit zu den klassischen Goldlegierungen auch solche treten, die den natürlichen warmen Glanz des Goldes in sein Gegenteil verkehren: Die Rede ist von blauem und purpurfarbenem Gold. Wer aber einmal ein aus diesen Legierungen gefertigtes Exemplar bewundern durfte, der weiß, wieso sie so viel Interesse und Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Denn im Unterschied etwa zu lackierten Metallen in vergleichbaren Farbtönen besitzen Schmuckstücke aus Blau- und Purpurgold dieselbe unvergleichliche Wertigkeit und Strahlkraft wie das ursprüngliche Feingold. Doch so attraktiv die kühlen Schönheiten auch sind, man muss sie mit Samthandschuhen anfassen – im wahrsten Sinne des Wortes. Im Vergleich zu den klassischen Goldlegierungen sind ihre Materialeigenschaften außerordentlich heikel. Denkbar schlechte Voraussetzungen also für eine Verwendung in hochwertigen Schmuckstücken

Um den Ursachen für diese Schwächen auf die Spur zu kommen und sie nach Möglichkeit zu beseitigen, führte das fem, das Forschungsinstitut Edelmetalle & Metallchemie aus Schwäbisch Gmünd, gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie ein von der EU finanziertes Forschungsprojekt durch. Ziel des Projekts war die Entwicklung von neuen Verfahren zur Herstellung von Blau- und Purpurgold, das den hohen Anforderungen an Tragekomfort und Beständigkeit genügt und unter den Bedingungen industrieller Schmuckfertigung problemlos verarbeitet werden kann. Um die gewonnenen Erkenntnisse sogleich auf ihre Praxistauglichkeit hin zu prüfen, engagierte das Forschungsinstitut die junge Goldschmiedin Janine Rall, die gemeinsam mit den Wissenschaftlern und Ingenieuren an der Optimierung der Legierungen arbeitete und einige Schmuckstücke zu Testzwecken anfertigte.

Wird Feingold mit Gallium, Indium oder Aluminium legiert, erzielt man eine bläuliche, tiefblaue oder intensive purpurne Färbung. So reizvoll die Farben, so ungünstig die Nebenwirkungen: Zum einen verliert das Gold seine Geschmeidigkeit und wird spröde. Zum anderen erhöht sich seine Anfälligkeit für Korrosion beträchtlich. „Die Sprödigkeit der Legierungen hat ihre Ursache in einer besonderer Kristallstruktur, die identisch ist mit der von manchen keramischen Werkstoffen“, erklärt Dr. Ulrich Klotz, Leiter der Abteilung Metallkunde am fem. „Unser Ansatz war, die Eigenschaften der Legierungen durch eine Verfeinerung des Kristallgefüges zu verbessern.“ Dies gelang durch das Legieren von Platin und Iridium und führte zu einer willkommenen Intensivierung des blauen Farbtons. Die korrosiven Eigenschaften blieben jedoch unverändert schlecht. Bei Tests in Milchsäure und synthetischem Schweiß wurden relativ hohe Mengen Indium oder Aluminium freigesetzt, was schon nach kurzer Zeit zu unschönen Verfärbungen führte. „Der Zauber des blauen Goldes verfliegt womöglich schnell, wenn das Material ohne eine Schutzschicht direkt auf der Haut getragen wird“, bedauert Janine Rall. Die Goldschmiedin, die ihre Ausbildung in Florenz absolvierte und deren Großvater bereits eine Werkstatt für Juwelenschmuck besaß, lässt sich davon nicht entmutigen: „Es kommt eben alles darauf an, die Legierungen handwerklich perfekt und ihren besonderen Eigenschaften entsprechend einzusetzen. Ich betrachte das nicht als Mangel, sondern als Herausforderung.“

Damit das gelingt, muss man die Herstellung der farbigen Goldschichten im Detail verstehen und beherrschen. Ulrich Klotz und seine Kollegen am fem untersuchten eine Reihe von Methoden, die auch bei der Beschichtung der von Janine Rall gefertigten Ohrstecker, Broschen und Ringe zum Einsatz kamen. Farbintensive Blaugoldschichten auf Hochzeitsringen aus 18-karätigen Goldlegierungen konnten durch das galvanische Abscheiden von Indium mit anschließender Glühbehandlung erzielt werden. Mit einer zusätzlichen Barriereschicht aus Rhodium versehen, wurden auch Ringe aus Sterling-Silber und Platin 950 auf diese Weise beschichtet. Den niedrigen Schmelzpunkt von Gallium (29,8°C ) macht sich ein weiteres Verfahren zunutze: Nach einigen Minuten in flüssigem Gallium bildete sich ein feiner Film, der bereits nach wenigen Tagen bei Raumtemperatur zu einer dichten und makellosen Blaugoldschicht reagierte.

„Sicherlich erfordern diese Goldlegierungen einiges an Fingerspitzengefühl. Aber wer sich auf sie einlässt, dem eröffnen sich völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten“, freut sich Janine Rall, die auch nach ihrer Zeit am fem mit hochkarätigem Blau- und Purpurgold arbeitet. Auch Ulrich Klotz blickt optimistisch in die Zukunft, sieht aber noch einigen Forschungsbedarf vor sich: „Die Farbbeständigkeit und Widerstandsfähigkeit weiter zu erhöhen, das sind unsere größten Herausforderungen.“ Die Suche nach dem perfekten Blaugold geht weiter.

Patrick Wais